Das Theater im Hüttenhaus

Das Hüttenhaustheater wurde 1953/54 von der damaligen Friedrichshütte AG errichtet.

Auf Betreiben des kulturell interessierten Hüttendirektors Dipl.-Ing. Heinz Berndt baute das Unternehmen ein Belegschaftshaus, das unterschiedlichsten Belangen der Mitarbeiter dienen sollte. In unmittelbarer Umgebung von Hochöfen entstand so das "Hüttenhaus".

Mit der großzügigen Ausstattung des im Haus enthaltenen Veranstaltungssaales wollte man der Belegschaft die Möglichkeit geben, Theatervorstellungen und Musikdarbietungen zu besuchen.

Am 1. Mai 1954 wurde das Haus mit dem Schauspiel "Nathan der Weise" von Lessing in einer Inszenierung der Ruhrfestspiele Bochum eröffnet. Angeregt durch diese Aufführung, schlug der damalige Justiziar der Friedrichshütte, Landrat a. D. Werner Zimmermann vor, das Haus nicht nur für die Belegschaft, sondern auch für die gesamte Bevölkerung zu öffnen. Zu diesem Zweck wurde dann noch im Jahre 1954 der Kulturring Herdorf e.V. gegründet.

Bericht aus der Rhein-Zeitung anlässlich der Eröffnung

Herdorf. ( RZ, 8. Mai 1954). In unmittelbarer Nähe der Friedrichshütte ist in langer Arbeit ein Werk entstanden, das weit und breit seinesgleichen an Großzügigkeit und Schönheit sucht. Es ist eine Kulturstätte für die Belegschaft und die Bevölkerung mit allen notwendigen Räumen und Einrichtungen. Auf einer Grundfläche von 800 qm entstand nach Plänen von Regierungsbaurat a.D. Grimm/Betzdorf ein zwei- bis dreigeschossiger Betonskelettbau, dessen Außenwände verklinkert sind.

Kernstück ist der große Saal im Obergeschoss, wie er in seiner Schönheit weit und breit noch nicht gesehen wurde. Unter Anwendung neuester technischer Errungenschaften – die Bühne kann per Wasserdruck gehoben und gesenkt werden – ist ein Werk entstanden, in dem Geist und Kultur eine hervorragende Pflegestätte finden werden. Der Saal fasst rund 430 Besucher, die leicht gewölbte Stuckdecke schmücken Malereien des Siegener Kunstmalers H.R. Köhler, die Symbiose von Technik, Kunst und Kultur darstellend. Gegenüber der großen Bühne von acht mal zwölf Metern befindet sich eine geräumige Empore, an der linken Seitenwand eine Loge.

Im Erdgeschoss befinden sich neben den sanitären Anlagen auch Räume der Fürsorge, wie eine Arztstation mit Röntgenanlage und Behandlungszimmer, Vorratsräume für die große Werksküche, Garagen und Garderoben. Entstanden ist auch die Hüttenschenke mit Nebenräumen und einer Bundeskegelbahn. Nimmt man den Weg ins Obergeschoss, so vermittelt das im Treppenhaus angebrachte große und künstlerisch gestaltete farbige Fenster einen nachhaltigen Eindruck. An einen geräumigen Vorraum schließen sich an ein großer Speiseraum für die Belegschaft, Schulungsräume und eine Werksbibliothek.

Am ”Tag der Arbeit”, am 1. Mai 1954, fand die offizielle Einweihung statt. Eingefunden hatte sich u.a. Innen- und Sozialminister Dr. Zimmer. Regierungsbaurat Grimm überreichte den Schlüssel dem Hausherrn, Direktor Heinz Berndt, welcher das Werk mit trefflichen Worten der Belegschaft übergab. Ansprachen von Arbeitsdirektor Paul Seeger und dem Betriebsratsvorsitzenden Fritz Döring folgten.

Es dürfte zutreffen, dass die Eröffnung des Hüttenhauses für ein Gebiet weit über das Hellertal hinaus von außerordentlicher Bedeutung ist. Der Arbeitsmann bleibt nicht mehr abseits der Kultur, die nicht mehr Domäne einer dünnen Volksschicht ist. Der Arbeitsmann hat Gelegenheit, in seinem ”eigenen” Werkshaus sich an den Schätzen der deutschen und europäischen Geisteswelt zu bereichern. Von allen Werksangehörigen geschaffen, gehört das neue Haus auch allen, die durch Arbeit, mit der Hand oder durch den Geist, das Gebäude haben entstehen lassen, wie es Direktor Seeger formulierte.

Mit der ersten Veranstaltung eröffnete das Hüttenhaus jene, vorerst nicht zu überschauende, auf Jahrzehnte hin vorgesehene Serie kultureller Veranstaltungen. Dies geschah nicht durch professionelle Künstler, sondern durch werksverbundene Laien: den MGV Wehbach unter Musikdirektor Stahl aus Köln und die Bollnbacher Berg- und Hüttenkapelle unter ihrem Dirigenten Paul Bittner. Für den Sommer ist die Aufführung des Lessing- Dramas ”Nathan der Weise” durch ein Ensemble der Ruhr- Festspiele vorgesehen.

Nach der Schließung der Friedrichshütte im Jahre 1968 erwarb die Stadt das Hüttenhaus, um es als kulturellen Mittelpunkt für die Region zu erhalten.

Nachdem der Kulturring Herdorf den musikalischen Programmteil aufgab, gründete sich 1983 der Kreis der Kulturfreunde Herdorf e.V., der seinen Besuchern ein erlesenes Kammermusik- und Konzertprogramm bietet.

Mit den sich ergänzenden Programmen setzen beide Vereine den Schwerpunkt im kulturellen Leben der Stadt und arbeiten partnerschaftlich eng zusammen. Mit dem Kulturherbst Herdorf wurde eine weitere Programmreihe aufgenommen deren Trägerschaft die Stadt Herdorf und die beiden kulturtreibenden Vereine übernommen haben.

Zur Unterstützung und Förderung des kulturellen Engagements der beiden Vereine stellt die Stadt ihnen das 430 Plätze fassende Hüttenhaus kostenlos zur Verfügung und unterstützt sie im Rahmen der Möglichkeiten auch finanziell. Darüber hinaus steht das Haus für herausragende gesellschaftliche Veranstaltungen und für Konzerte der örtlichen Musik- und Gesangvereine offen.

Das Hüttenhaus ist die „Gute Stube“ der Stadt Herdorf und unverzichtbares Domizil für die vielfältigen kulturellen Aktivitäten der Herdorfer Vereine.

2009 wurde seitens der Stadt Herdorf der Entschluss gefasst, das Hüttenhaus einer grundlegenden Sanierung zu unterziehen. Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektrik und alle weiteren technischen Einrichtungen werden seit dieser Zeit in mehreren Bauabschnitten, bei laufendem Spielbetrieb, von Grund auf erneuert. Ziel der Sanierung ist es, das Haus den heutigen Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Technik anzupassen ohne dabei seine einzigartige Charakteristik zu verändern. Im Zuge dieser Maßnahmen wird auch der gastronomische Bereich komplett erneuert. Mit einer neuen Außenillumination erhält das Hüttenhaus eine weitere Aufwertung und soll auch für alle "Nichtkenner" ein Hinweis sein, dass es sich hier nicht nur um vergangene Industriearchitektur im Stadtbild sondern um einen Ort der lebendigen Kultur in Herdorf handelt.